Fantastische Gärten, Kathedralen und ein Besuch bei den Meeresalgen

Gartenreise des Freundeskreises in die Bretagne vom 26. August bis 3. September 2023

Der Zeitraum für die Gartenreise in die Bretagne war nicht zufällig gewählt. Er sollte auf den Vollmond Ende August fallen. Aber nicht, weil der Mondkalender günstig für Gartenreisen stand, sondern weil an diesem Vollmond im Spätsommer entlang der Küste der Bretagne ein besonders großer Gezeitenunterschied, eine grande marée, zu erwarten war. Denn neben dem Besuch zahlreicher Gärten war auch eine Exkursion in die Welt der Makroalgen geplant, die nur bei sehr niedriger Ebbe zugänglich ist. Doch dazu später.

Unter Gartenkennern ist die Bretagne längst kein Geheimtipp mehr. Viele Veranstalter von Gartenreisen haben die Region im Programm. Das milde und feuchte Klima in der Bretagne erlaubt die Kultur mediterraner und zum Teil sogar subtropischer Pflanzen. Außerdem ist die Region bekannt für ihre Schlösser und Herrenhäuser mit aufwändig gestalteten, historischen Gartenanlagen. Aber die Anreise in die Bretagne ist weit. So war auf der Hin- und Rückreise jeweils ein Übernachtungsstopp erforderlich, den man aber leicht mit weiteren Programmpunkten füllen kann. In unserem Fall waren dies die Städte Chartres und Amiens mit ihren weltberühmten Kathedralen.

Parc du Thabor in Rennes

Nach der Übernachtung in Chartres und einem morgendlichen Bummel durch die Altstadt oder einem Besuch der lateinischen Frühmesse in der Kathedrale ging es weiter nach Rennes. Dort stand mit dem Parc du Thabor im Zentrum der Stadt der erste Garten auf dem Programm. Der Park liegt auf einem Hügel, auf dem sich ursprünglich die Obstgärten der ehemaligen Abtei Saint-Mélaine befanden. Nach der französischen Revolution fielen die Gärten der Abtei an die Stadt und wurden zunächst zu einer öffentlichen Promenade umgestaltet. Zwischen 1866 und 1868 wurde das Gelände durch die Landschaftsgärtner Denise und Eugène Bühler in eine prächtige Gartenanlage umgewandelt. Sie gliedert sich heute in einen geometrisch angelegten französischen Garten und einen englischen Landschaftsgarten mit altem, exotischem Baumbestand. Darunter ein sehr eindrucksvoller Bergmammutbaum (Sequoiadendron giganteum, folgendes Foto) und eine fast ebenso großer Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens).

Riesenmammutbaum (Sequoidendron giganteum) im Parc du Thabor in Rennes

Samen des Bergmammutbaums wurden erstmals 1853 aus Kalifornien nach Europa gebracht, kurz danach konnten die ersten Exemplare gepflanzt werden. Wie alt der Riesenmammutbaum ím Parc du Thabor ist, ließ sich nicht klären, er könnte aber bereits im Zuge der Gartenanlage in den späten 1860er Jahren gepflanzt worden sein. Auch eine große Atlas-Zeder (Cedrus atlantica) und eine Persische Eiche (Quercus macranthera) stammen wohl aus dieser Zeit.

Im Park fallen uns die vielen Exemplare der Immergrünen Magnolie (Magnolia grandiflora) auf. Diese aus dem Südosten Nordamerikas stammende Baumart fühlt sich in der Bretagne offenbar besonders wohl. Sie ist uns danach noch in vielen weiteren Gärten begegnet. Ein besonderes Highlight im Parc du Thabor ist ein großes Exemplar des Griechischen Erdbeerbaums (Arbutus andrachne, folgendes Foto) mit fantastischer roter Rinde. Er steht in einem Teil des Parks, der in konzentrischen Kreisen angelegt ist und als Botanischer Garten dient. Die Pflanzen sind hier systematisch nach Familien und Gattungen geordnet.

Und noch eine Pflanze muss erwähnt werden. Im Schutz der Gartenmauer nahe der Rosen- und Dahliensammlung zogen die hohen Blütenstände der Belladonnalilie (Amaryllis belladonna, folgendes Foto) viel Aufmerksamkeit auf sich. Die um diese Jahreszeit blattlosen Pflanzen tragen die großen, rosafarbenen Amaryllis-Blüten an langen fingerdicken Schäften. Beheimatet ist diese Echte Amaryllis in der südwestlichen Cape-Provinz Südafrikas. Sie ist in den wintermilden Gärten Südenglands als Zierpflanze weit verbreitet. Auch in den Gärten der Bretagne haben wir sie mehrfach gesehen. Wer sie in Mainz pflanzen will, braucht einen sehr geschützten Standort und muss hoffen, dass es im Winter nicht unter -5°C kalt wird, da sonst die Blätter erfrieren. So blattlos wie jetzt ist die Amaryllis nur im Sommer. Nach Ende der Blütezeit kommen im Herbst neue Blätter, die dann den Winter überstehen müssen.

Wer vom Hotel in der Nähe des Bahnhofs am späten Nachmittag noch einen Spaziergang in die Altstadt gemacht hat, konnte noch die Jardins flottants, die schwimmenden Gärten, auf dem hier kanalartig eingefassten Flüsschen Vilaine sehen. In fast allen Städten Frankreichs, das muss man neidlos anerkennen, werden die Blumenrabatten und Gartenanlagen mit großem Aufwand und ausgefallenen Ideen bepflanzt und gepflegt.

Parc Botanique de Haute Bretagne

Der dritte Tag der Reise führt von Rennes nach Saint Malo. Auf dem Programm stehen zwei Gartenbesichtigungen und der Besuch einer Austernfarm. Heute ist Kondition gefragt! Als wir am Morgen im Parc Botanique de Haute Bretagne in Le Chatellier ankommen, werden wir nicht erwartet. Wir haben für 10 Uhr eine Führung gebucht, aber der Garten öffnet erst eine halbe Stunde später für Besucher. Bei der Planung der Reise haben wir uns entschieden, keine feste Reiseleitung zu engagieren. Stattdessen haben wir in einzelnen Gärten Führungen zubuchen lassen. Keine schlechte Entscheidung, aber es wird eine abenteuerliche Entdeckungsreise werden. Nach 20 Minuten begrüßt uns nun Alain Jouno persönlich. Er ist der Besitzer und Gestalter dieses 25 Hektar großen botanischen Parks. 1994 hat er mit der Anlage der Gärten begonnen. Ein Rundgang durch seine 24 Themengärten dauere mindestens zweieinhalb Stunden, erklärt uns Alain, aber so viel Zeit haben wir nicht mehr. Egal, Alain versucht es trotzdem mit uns. Das Tempo ist hoch, die Qualität der Gärten auch. Also schnell ein paar Fotos … (Jardin Secret auf dem folgenden Bild).

Wir schaffen immerhin knapp die Hälfte der Anlage, das sind vor allem die mythologisch inspirierten Gärten der ersten Themengruppe Jardins de l’Arcadie und einen Teil der Jardins Romantiques, darunter der prämierte, japanisch inspirierte Jardin du Soleil Levant. Die Gruppe der Dämmerungsgärten, Jardins du Crépuscule, müssen ein andermal besucht werden. Bemerkenswert ist der enorme Artenreichtum der Kamelien, Rhododendren und Kalmien. Einige Züchtungen sind sogar nach diesem Park benannt, wie der Blumenhartriegel Cornus hongkongensis 'Parc de Haute Bretagne‘. Der Parc Botanique de Haute Bretagne gehört zudem zu einer Gruppe von Gärten in der Bretagne, für die der Pflanzenbestand über eine spezielle App (Hortus Botanica) punktgenau recherchiert werden kann. Angeblich sind es rund 7.000 Pflanzen, offenbar alle mit Fotos. Wer diese enorme Arbeit leistet, bleibt schleierhaft. Alain Jouno, dem man die Leidenschaft für seine Gärten in jeder Sekunde anmerkt, scheint diese Anlage mit nur drei Gärtnern zu pflegen. Auch in dieser Hinsicht ein Jardin remarquable!

Noch schnell einen Blick über den japanischen Garten und dann zurück in den Bus, keine Zeit mehr für einen Kaffee. Es geht weiter zum Château de la Ballue in Bazouges-la-Pérouse.

Jardins du Château de la Ballue

Auch hier haben wir eine Führung gebucht, und auch hier geleitet uns die Besitzerin des Schlosses, Marie-Françoise Mathiot-Mathon, persönlich durch ihre Gartenanlage. Sie hat im Jahr 2005 mit ihrer Familie das Schloss und die Gärten übernommen und sich behutsam in die neue Verantwortung eingearbeitet. Die Gestaltung des Gartens basiert ursprünglich auf einem klassisch französischen Garten der Schlossanlage aus dem 17. Jahrhundert. Aber 1973 erfolgte eine große Umgestaltung durch die damaligen Besitzer, die Verlegerin Claude Arthaud und ihren Mann François-Herbert Stevens. Zusammen mit dem futuristischen Architekten Paul Maymont entwickelten sie eine neue, moderne Interpretation des klassischen Gartens.
Unser zweistündiger Rundgang, an dem auch die beiden Chesapeake Bay Retriever von Madame Mathiot-Mathon teilnehmen, beginnt auf der Nordseite des Schlosses. Der Zugang zum Ehrenhof des Schlosses wird dort von zwei rechteckigen Gärten flankiert, in denen Formgehölze und ausschließlich weißblütige Stauden und Sträucher, darunter einige spät blühende Rosen, gepflanzt sind. Aktuell dominieren die weißen Blüten einer hohen Herbstanemone (Anemone hupehensis).

Auf der Ostseite des Schlosses geht es durch einen Farngarten in den Manieristischen Garten, in dem fantasievolle Gartenräume durch Blickachsen und präzise geschnittene Hecken verbunden sind. Eine eindrucksvolle Arkade aus säulenförmig geschnittenen Eiben und Blauregen (Wisteria sinensis) trennt diesen Bereich vom formalen Garten auf der Südseite des Schlosses. Auch hier bestimmen geometrisch geschnittene Eiben das Bild. Die ganze Anlage wurde 2018 mit einem European Garden Award ausgezeichnet. Die Führung mit uns ist für Madame Mathiot-Mathon eine willkommene Gelegenheit zur Kontrolle des Gartens, zwei Mal gibt es kurze Unterbrechungen, um den Gärtnern präzise Anweisungen für den Schnitt der Hecken zu geben. Und auf dem Rasen in der Mitte des Grünen Theaters fallen zwei Löwenzahn-Pflanzen unangenehm auf. In deren Haut möchte man jetzt nicht stecken.

Lässt man den Blick von der Südterrasse in die umgebende Landschaft schweifen, fallen die großen, à la japonaise geschnittenen Monterey-Kiefern (Pinus radiata) auf. Was so natürlich aussieht, ist das Ergebnis jahrelanger Schnittmaßnahmen, die von spezialisierten Baumgärtnern aus der Region ausgeführt werden. Madame Mathiot-Mathon ist mit Recht stolz darauf, aber man merkt, dass es ein kostspieliger Teil ihrer Gartenliebe ist. Zum Abschluss dürfen wir die separate Buchssammlung und den privaten Zen-Garten besichtigen.

Die Zeit in den Gärten von Château de la Ballue ist schnell verflogen. Um in Ruhe einen Kaffee zu trinken, reicht es wieder nicht. Denn bevor es nach Saint-Malo ins Hotel geht, steht noch die Besichtigung der Austernfarm La Ferme Marine in Cancale an. Das ist sehr touristisch, aber unsere Führerin Annaïk erläutert uns die Austernzucht sehr charmant und unterhaltsam in deutscher Sprache. Sie schafft es leicht, die erschöpften Geister wieder zu beleben. Und da es den ganzen Tag keine Gelegenheit für einen Imbiss gab, verschlingen fast alle die drei angebotenen Austern, ohne zu fackeln.

Parc du Château de Montmarin

Der vierte Tag beginnt entspannt mit einem frühen Bummel durch Saint-Malo. Dann fährt uns der Bus entlang des Gezeitenkraftwerks der Rance zur Domaine du Montmarin in Pleurtuit. Hier sind wir um 10 Uhr für eine Führung angemeldet, aber Thibault de Ferrand, einer der Söhne des Besitzers, der die Ankunft unseres Buses vor dem Herrenhaus bemerkt, weiß davon nichts. Hm, was ist da schief gegangen? Egal, es ist kein Problem, Thibault de Ferrand ändert kurzerhand seine Pläne und führt uns mit spürbarer Begeisterung durch die Gartenanlage seiner Familie. Sie umfasst einen französischen Garten direkt am Haus, der von einer sehr alten Immergrünen Magnolie (Magnolia grandiflora, folgendes Foto) beherrscht wird, einen Gemüsegarten und einen Landschaftspark, der in Terrassen bis zum Ufer der Rance herabreicht, wo es noch einen besonderen Steingarten gibt.

Gleich auf den ersten Blick ist es ein sehr ansprechend gestalteter Garten mit alten Gehölzen und vielen botanischen Raritäten. Aber erstmals werden auch die Probleme durch die klimatischen Veränderungen klar benannt. Der Boden ist hier relativ flachgründig, darunter steht Felsgestein an. Dadurch haben die Pflanzen keinen Grundwasserzugang, sind also komplett auf den Regen angewiesen. Aber der Regen fällt nicht mehr so zuverlässig und regelmäßig wie früher. Thibault de Ferrand erklärt, dass die alte Regel, in der Bretagne regne es jeden Tag, schon lange nicht mehr gilt. Im vergangenen Jahr gab es 78 Tage ohne Regen, im Sommer 2022 war der Garten vollständig verdorrt. Und 2019 gab es in der Bretagne einen Temperaturrekord mit 41°C. Diese Veränderungen haben in den vergangenen Jahren zum Absterben einiger großer Bäume des Gartens geführt. Und auch in diesem Jahr stehen im September weitere Fällungen an.

Blüten der Chilenischen Scheinulme Eucryphia cordifolia

Nicht nur die Bäume haben inzwischen Probleme, der Buchs ist hier von einer Pilzerkrankung betroffen und soll nicht berührt werden, da sonst Gefahr besteht, die Infektion in andere Gärten zu übertragen. Schwierige Zeiten für die französischen Gärten. Beim Abstieg zur Rance fallen weitere Besonderheiten auf. Eine kleine Gruppe attraktiv blühender Bäumchen erweist sich als Chilenische Scheinulmen (Eucryphia cordifolia, obiges Foto). Aber auch sie müssen in Kürze ersetzt werden. Bemerkenswert sind ferner eine bereits fruchtende australische Südbuche (Nothofagus cunninghamii), die in ihrer Heimat über 50 m hoch werden kann, und eine kleine Gruppe von Kaschmir-Zypressen (Cupressus cashmeriana) mit filigranen, blaugrün herabhängenden Zweigen. Im westlichen Teil, nahe des Herrenhauses, stehen in einem mediterranen Garten Palmen, riesige kanarische Natternköpfe, eine sehr große, blühende Palmlilie (Yucca spec.) und ein üppig blühendes Exemplar der breitdornigen Ankerpflanze (Colletia paradoxa, folgendes Foto) aus der Region Süd-Brasilien, Uruguay, Argentinien.

Es macht großen Spaß, mit Thibault de Ferrand die Besonderheiten seines Gartens zu besichtigen. Ihm ist es ein wichtiges Anliegen, den Garten interessierten Besuchern zu erschließen und damit auch den Fortbestand der historisch gewachsenen Anlage zu sichern. Wir verabschieden uns und fahren weiter in Richtung Cap Fréhel. Für Thibaud de Ferrand geht es nun zur geplanten Arbeit auf die 40 Hektar große Apfelplantage der Domaine, auf der verschiedene Apfelsorten für den bretonischen Cidre angebaut werden.

Cap Fréhel

Wir erreichen Cap Fréhel gegen 13 Uhr und genießen für eine gute Stunde den Spaziergang durch die blühende Heidelandschaft mit Stechginster (Ulex europaea und U. gallii), Calluna und Erica-Arten. Der Blick von den steilen Klippen auf das heute graublaue Meer ist atemberaubend schön. Auf den Felsen wächst unter anderem der Meerfenchel (Crithmum maritimum), ein typischer Felsküstenbewohner, aber auch eine Mittelmeerpflanze, die sich inzwischen bis in die Bretagne vorgearbeitet hat und die wir als Zierpflanze in den Sommerblumenrabatten kennen - das Silber-Greiskraut (Jacobaea maritima).

Les jardins de Kerfouler

Vom Cap Fréhel aus erreichen wir nach etwa 100 km im kleinen Dorf Plouëc-du-Trieux die Gärten von Kerfouler. Diese Gärten gehören nicht zu einem Schloss oder Herrenhaus. Sie wurden von Erwin Straalman und Hanneke van Nuland, die 2006 aus ihrer niederländischen Heimat hierhergekommen sind, völlig neu angelegt. Die beiden haben das kleine Bauernhaus renoviert und darin einen Teeraum eingerichtet. Darin beginnt und endet später auch unsere Führung bei einem Kaffee oder einen Glas Cidre. Erwin und Hanneke sind ausgebildet als Landschaftsgärtner und Floristin. Hier in Plouëc-du-Trieux haben sie einen wunderbar individuellen Garten geschaffen, der sich von allen anderen Gärten der Reise unterscheidet. Es gibt hier keinen historischen Garten oder Landschaftspark, der als Grundlage diente. Alles ist neu erdacht und gut aufeinander abgestimmt.

Die Jardins de Kerfouler umfassen inzwischen 20 verschiedene Gartenräume mit ganz unterschiedlichen Themen und Pflanzen, jeder ein eigener Mikrokosmos. Was kann man hier hervorheben? Eigentlich alles, aber das geht natürlich nicht. Also vielleicht den Marokkanischen Teegarten mit seinen blauen Wänden und der großen Bananenstaude. Oder den von Cortenstahl eingefassten Garten Tout feu tout flamme (Foto oben) mit dunkelblättrigem Neuseelandflachs (Phormium 'Black Adder‘), roten Fackellilien und Montbretien. Den Dünengarten natürlich auch. Und dann, im Garten Zen en Bretagne, die beiden abgefahrenen, grasartigen Pflanzen aus der Familie der Restionaceae - Elegia capensis und Elegia elephantina. Beide stammen aus Südafrika, wo zumindest Elegia capensis (nächstes Foto) eine weit verbreitete Gartenpflanze ist. Sie benötigt allerdings einen möglichst feuchten Standort und verträgt, wie alle Pflanzen aus Südafrika, wenn überhaupt, nur sehr leichten Frost. Das wäre aber mal einen Versuch im Botanischen Garten wert!

Auch sonst gibt es viele ungewöhnliche Pflanzen, etwa die chinesische Brombeere Rubus triloba 'Green Wave‘ als Bodendecker in der Galerie verte. Oder die aus Neuseeland stammende immergrüne Heckenpflanze Giselinia littoralis. Unsere Führung durch Erwin und Hanneke, die hier einen scheinbar unmöglichen Traum verwirklicht haben, war ein besonderes Erlebnis dieser Reise. Es bleibt noch Zeit für ein Getränk und ein paar Gespräche über Gärten und Pflanzen. Wir kaufen das Buch zu diesem Garten, das professionelle Fotos und eine vollständige Pflanzenliste enthält. Dann verabschieden wir uns von den beiden, denen man anmerkt, dass es Ihnen große Freude macht, ihr Gartenkunstwerk einer interessierten Besuchergruppe zu zeigen. Nach diesem intensiven Gartenerlebnis geht es weiter zum Hotel in Lannion, wo wir zwei Nächte verbringen werden.

Château de la Roche-Jagu

Der fünfte Tag der Reise. Es geht zunächst nach Ploëzal zum Festungsschloss la Roche-Jagu, dessen Ursprünge bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. Wir bekommen eine detailreiche Führung zur Geschichte des Schlosses, seiner baulichen Besonderheiten und dem Alltagsleben in der französischen Feudalzeit. Nach seiner Zerstörung im Jahre 1394 wurde es 1405 in seiner heutigen Form neu errichtet. Es ist das letzte noch erhaltene Festungsschloss an der Trieux, die in diesem Bereich noch stark von den Gezeiten beeinflusst ist und nur bei Flut befahren werden kann. Nachdem das Schloss lange ungenutzt war, ging es in den 1950erJahre in den Besitz des Staates über und wurde umfassend restauriert. Es dient heute Ausstellungszwecken.

Die zweite Hälfte unserer Führung widmet sich den Gartenanlagen, die einem mittelalterlichen Blumengarten, einem Heilpflanzengarten, einem Gemüsegarten und einem Lustgarten nachempfunden sind. Der Reiz der ganzen Anlage liegt aber in der Weitläufigkeit des umgebenden Parks (40 Hektar), der nach einem verheerenden Orkan zwischen 1988 und 1998 geschaffen wurde. Er verbindet moderne Elemente mit mittelalterlichen Einflüssen. Er umfasst mit Steinmauern und Weidengeflecht eingefasste Terrassen und Beete, verschiedene Wasserbecken und einen exotischen Palmenwald.

Nach der Führung ist noch Zeit, das weitläufige Gelände selbst zu erkunden. Wer sich für den steilen Abstieg zum Ufer der Trieux entscheidet, wird durch eine herrliche Flusslandschaft belohnt. An der Böschung zum Fluss, der nun bei Ebbe nur wenig Wasser führt, wachsen Queller, Strandaster und weitere Salzwiesenpflanzen. Die erhoffte Gelegenheit zum Mittagsimbiss im Restaurant - Salon de thé des Châteaus besteht jedoch nur eingeschränkt. Jetzt ist Mittagszeit und da gilt hier Menüpflicht. Nur kühle Getränke, Kaffee, Sandwich oder Kuchen, das geht leider nicht.

Abtei Beauport

Wir fahren weiter zur ehemaligen Abtei Beauport in Paimpol und erhalten auch hier eine Führung in französischer Sprache, die von unserem Freundeskreismitglied Odile Landragain wieder für alle großartig übersetzt wird. Auf diese Weise sind wir unabhängig von einer festen Reiseleitung und können über die Schwerpunkte unserer Besichtigungen selbst entscheiden. Die Abtei stammt aus dem 13. Jahrhundert und liegt landschaftlich sehr reizvoll direkt an der Bucht von Paimpol. Nach der Französischen Revolution wurde die Abtei geschlossen und verfielt im 19. Jahrhundert zur Ruine, die stellenweise romantisch bewachsen ist.

Für uns interessant ist auch der große, von einer Mauer umschlossene Garten, der heute eine Sammlung unterschiedlicher Apfel-Sorten beherbergt. Nahe der Abtei stehen noch zwei sehr alte Ginkgobäume und auf dem Rasen davor eine große australische Silber-Akazie (Acacia dealbata). Wer sich direkt nach der Führung aufmacht, schafft nun endlich einen Kaffee im angegliederten Salon.

Jardins de Kerdalo

Die dritte Station des Tages ist ein besonderer Höhepunkt. In den bereits besichtigten Gärten hat man oft nach unserem weiteren Programm gefragt, das mit seiner Fülle zuverlässig Eindruck gemacht hat. Wenn aber der Name Jardins de Kerdalo fiel, gab es stets ein „Ah“ und „Oh“. Also auf geht’s. Wie so oft werden die Zufahrtstraßen zu den bretonischen Gärten kurz vor dem Ziel immer enger und die Sorgen unseres Fahrers größer. Doch wieder geht alles gut. Es ist jetzt schon später Nachmittag, aber die Sonne kommt nochmal raus. An einem provisorischen Häuschen gibt es eine kurze Begrüßung und Einführung. Wir erhalten laminierte Lagepläne und werden losgelassen.

Die Gärten von Kerdalo liegen in einem kleinen, bewaldeten Tal, das bis zum Ufer des Jaudy herabreicht, mit der Altstadt von Tréguier auf der anderen Seite. Hier schuf Peter Wolkonsky (1901-1997), Maler und emigrierter russischer Prinz, ab 1965 einen fantastischen Garten voller botanischer Raritäten, der mit der umgebenden Natur verschmilzt. Es ist unmöglich, dieser Pflanzenpracht mit einer kurzen Aufzählung gerecht zu werden. Nicht nur wegen der vielen ungewöhnlichen Pflanzenarten der Südhemisphäre, den mediterranen und subtropischen Farnen und so weiter, sondern auch aufgrund der gestalterischen Kompositionen, der überraschenden Gartenräume und Blickachsen. Ganz zu schweigen von den Nuancen der Grüntöne in den Baum- und Strauchsilhouetten an den flankierenden Hängen. Wenn man später nach dem Rundgang wieder zum Ausgang aufsteigt, ist man schlichtweg geflasht von dieser Gartenpracht.

Nur auf eine Pflanze will ich näher eingehen. Wenn man über das Vallée du haut zur Araukarien-Wiese geht, kann man am Hang einen ungewöhnlichen, schlanken Nadelbaum sehen. Dies ist eine vielleicht 15 Jahre alte Wollemia nobilis, jene seltene Baumart aus Australien, um die es in den späten 1990er Jahren einen enormen Hype gab. Die Wollemie ist ein Araukariengewächs, das 1994 in einer abgelegenen Schlucht in den Blue Mountains nordwestlich von Sydney entdeckt worden ist. In der Natur gibt es nur etwa 100 große Exemplare plus ein paar Jungpflanzen. Der Botanische Garten Sydney hatte nach der Entdeckung mit einer großen Aufzucht- und Vermehrungskampagne begonnen.

Die Vermarktung dieser neuen Baumart startete im Oktober 2005 mit einer Auktion bei Sotherbys, bei der die ersten 300 Exemplare versteigert wurden. In den Folgejahren wurden immer mehr Pflanzen, allerdings zu weiterhin hohen Preisen verfügbar. Im Mai 2007 erhielten dann die Botanischen Gärten in Deutschland jeweils ein kostenloses Exemplar von der Firma Kientzler in Gensingen, die in Deutschland die Vermarktung starten wollte. Wir pflanzten unser Exemplar damals direkt in der Nadelbaum-Sektion des Botanischen Gartens, hatten aber kein Glück damit. Die Wollemie wuchs kaum, und nach zwei sehr kalten Wintern in den Jahren 2010 und 2012 war sie erfroren. Die Frostverträglichkeit der Wollemie liegt nur bei etwa -5°C, zudem benötigt sie einen sauren Boden und ist auch anfällig für Pilzerkrankungen. Sie hat sich in Privatgärten und Arboreten daher kaum etablieren können. Umso schöner, hier in Kerdalo ein schon recht großes Exemplar zu sehen. Von unserer Gruppe haben es aber wohl nur wenige entdeckt.

Cote de granite rose

Der sechste Tag startet mit starkem Regen. Heute ist in Lannion Wochenmarkt, und der gilt als größter und vielfältigster Markt in der Region Côte-d’Armor. Also Regen hin oder her, 90 Minuten Zeit für einen Bummel über den Markt. Wer die Gelegenheit nutzt, wird nicht enttäuscht. Man müsste groß einkaufen, vor allem von den tollen Käsesorten, will es den Mitreisenden aber nicht zumuten. Also nur ein wenig Tagesproviant und eine Flasche Cidre.

Der erste Stopp des Tages ist in Ploumanac’h, wo wir bei leichtem Nieselregen einen Spaziergang an der malerischen rosa Granitküste unternehmen. Das Wetter passt ganz gut zu diesen bizarr geformten Felsen, zwischen denen auch ein paar salztolerante Pflanzenarten wachsen. Es reicht noch für einen Abstecher zum Leuchtturm, dann geht es zurück zum Bus und weiter mit dem Gartenprogramm.

Château de Rosanbo

Es geht nun zum Château de Rosanbo in Lanvellec. Die Gartenanlagen werden wir aber nur sehr kurz und aus der Distanz sehen, doch das wissen wir bei unserer Ankunft noch nicht. Es ist das dritte Schloss auf unserem Besichtigungsprogramm, aber noch keines haben wir von innen gesehen. Nun heißt es explizit „Führung durch das Schloss und im Anschluss freie Besichtigung der Parkanlagen“. Wir sollen nicht enttäuscht werden. Monique Lecourtois erwartet uns bereits. Sie kennt die wechselvolle Geschichte des Schlosses wie wohl kaum jemand sonst und war auch eine treibende Kraft, als es darum ging, die Gärten des Schlosses in das European Garden Heritage Network (EGHN) aufzunehmen.

Das Château de Rosanbo steht auf den Fundamenten einer alten Burg aus dem 14. Jahrhundert. Das heutige Gebäudeensemble umfasst das Herrenhaus aus dem 15. Jahrhundert sowie Erweiterungsbauten aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert. Neben einer Ausstellung mit Möbeln und Utensilien aus diesen Epochen beherbergt das Schloss eine bemerkenswerte Bibliothek, auf die wir am Ende der Führung noch einen Blick werfen können. Das Château ist seit seinen Anfängen im Besitz der Familie Coskaër de Rosanbo, die dem bretonischen Adel entstammt und durch Heirat mit der Familie Le Peletier mit der Aristokratie am Hof Ludwigs XIV. verbunden war. Diese Nähe endete nach der Revolution für fünf Mitglieder der Familie Rosanbo durch die Guillotine.

Das erfahren wir gleich zu Beginn unserer Führung, die in den Pferdeställen startet. Denn die ausgedehnte Parkanlage diente zuallererst dem Reitsport des Adels. In ihrer heutigen Form wurde die bemerkenswerte Anlage von dem renommierten Landschaftsgärtner Achille Duchêne Ende des 19. Jahrhunderts als jardin à la francaise im neoklassischen Stil in Anlehnung an historische französische Gartenanlagen geschaffen. Blühende Pflanzen oder botanische Raritäten gibt es hier nicht. Dafür 2.500 m lange Laubengänge aus Weißbuchenhecken, grüne Räume zwischen den Baumgruppen und Rasenflächen mit perspektivischer Wirkung. Das erläutert uns Monique Lecourtois noch bevor wir die Erdgeschossräume des Schlosses besichtigen. Dort tauchen wir dann für den Rest unserer Zeit tief in die Geschichte der Familie Rosanbo ein. Nach der Rückkehr aus dieser vergangenen Welt wartet schon der Bus.

Cairn de Barnénez

Wir fahren jetzt weiter in Richtung Roscoff, dem westlichsten Ort unserer Reise, der auch den Höhepunkt bilden soll. Allerdings unterbrechen wir unsere Fahrt noch für eine Besichtigung des Cairn de Barnénez, der größten jungsteinzeitlichen Megalithanlage Europas. Sie liegt traumhaft schön, vom Meer umgeben, auf einer hügeligen Halbinsel, die in die Bucht von Morlaix hineinragt. Man denkt sofort, einen magischeren Ort hätten die Menschen vor etwa 6.500 Jahren für den Bau dieser gigantischen Grabanlage nicht wählen können. Doch dann liest man, dass zu dieser Zeit der Meeresspiegel tiefer lag und die Bucht von Morlaix noch eine fruchtbare Ebene war. Entsprechend war es auch kein Problem, die Granitsteine von einer heute etwa 1 km entfernten Insel hierher zu schaffen. Damals war es eben noch keine Insel. Wir schlendern in der Nachmittagssonne um den Cairn und hängen unseren Gedanken nach.

Dann geht es an der Bucht entlang nach Morlaix und weiter nach Roscoff zu unserem Hotel direkt am Meer. Die Zufahrt zum Hotel durch die engen Gassen des kleinen Städtchens ist nur wenige Zentimeter breiter als unser Bus. Nichts für schwache Nerven.

Jardin Georges Delaselle

Der siebte Tag der Reise beginnt mit der sehr hohen Flut der grande marée. Vom Frühstücksraum des Hotels blicken wir direkt auf das Meer, schöner geht‘s nicht. Wenn wir am Nachmittag bei Ebbe von der Île de Batz zurückkommen, wird die Wasserlinie neun Meter tiefer liegen und vom Meer nichts zu sehen sein. Perfekte Bedingungen, um an diesem Tag auf der Insel einen Abstecher ins Felswatt zu unternehmen. Aber zunächst wird der Jardin Georges Delaselle besucht. Er liegt etwa 1,5 km von der Anliegestelle der Fähre am südöstlichen Zipfel der Île de Batz. Durch das besonders milde Klima gedeihen auf der Insel nicht nur viele Gemüsearten, sondern auch Zierpflanzen aus mediterranen und zum Teil subtropischen Regionen. Schon auf dem Weg zum Garten sehen wir auf den Mauern einige Mittagsblumengewächse aus dem Süden Afrikas.

Als Georges Delaselle (1861-1944), ein aus wohlhabender Familie stammender Versicherungsagent aus Asnières bei Paris, im Jahre 1897 erstmals auf die Île de Batz kommt, ist er direkt von der Insel begeistert und kauft ein Grundstück an der Südostspitze. Im darauffolgenden Jahr beginnt er hier mit der Anlage eines „Kolonialgartens“ für exotische Pflanzen. Auf alten Fotos im Besucherzentrum und im schön illustrierten Buch über den Jardin sieht man den Beginn der Bauarbeiten auf dem damals baumlosen Areal aus Dünen und Felsen. Bei den Arbeiten wird eine bronzezeitliche Nekropole entdeckt und in den Garten integriert. Um den Garten vor Stürmen zu schützen, werden künstliche Dünen angelegt. Georges Delaselle erkrankte 1918 an Tuberkulose und entschied sich, von da an permanent in seinem Garten auf der Île de Batz zu leben. 1937 verkauft er den Garten und verlässt die Insel. Von nun an verfällt der Garten.

Erst 1987 schließen sich einige Freunde des Gartens zum Verein Les Amis du jardin Georges Delaselle zusammen und beginnen mit der Restaurierung und Neugestaltung des Gartens. Heute ist der Garten von einem schützenden Wall aus großen Monterey-Zypressen (Cupressus macrocarpa) und Kiefern umgeben, die ihm den Charakter einer paradiesischen Oase verleihen. Vom ursprünglichen Pflanzenbestand George Delaselles ist nicht viel erhalten geblieben. Das ist nun mal das Schicksal verlassener Gärten. Sie sind fragile Kunstwerke, die sich beständig weiterentwickeln müssen und ohne gärtnerische Pflege nicht bestehen können. Der heutige Pflanzenbestand ist überwältigend und umfasst neben Arten der kanarischen Inseln und Madeiras (etwa dem Madeira-Storchschnabel, Geranium maderense) zahlreiche Pflanzen Südamerikas, Südafrikas, Neuseelands, Australiens und Neukaledoniens. Gleich am Anfang zieht eine Freiland-Bromelie aus Chile (Fascicularia pitcairniifolia, Foto oben) viel Aufmerksamkeit auf sich. Bei der Nachbereitung wird sich herausstellen, dass diese Bromelie an der Küste der Bretagne auch schon verwildert vorkommt. Bemerkenswert ist ferner ein australischer Grasbaum Xanthorrhoea glauca, der noch auf der Wunschliste für die neuen Gewächshäuser im Mainzer Botanischen Garten steht.

Exkursion ins Felswatt vor der Île de Batz

Nach diesem letzten Garten unserer Reise, der vielleicht am stärksten die gärtnerischen Möglichkeiten in der Bretagne vor Augen geführt hat, stand noch ein Kontrastprogramm auf der Agenda: eine Exkursion in den Lebensraum Felswatt mit seinen Makroalgen, Schwämmen, Seeanemonen und Schnecken, der in dieser oder sehr ähnlicher Form seit Hunderttausenden oder gar Millionen von Jahren existiert und bis heute kaum von uns Menschen beeinflusst wird.

Bis die Ebbe an diesem Tag um 14.10 Uhr ihren tiefsten Stand erreicht, können wir an der Nordseite der Insel einen Abstecher ins Felswatt unternehmen. Aufgrund des Vollmonds und zugleich einer besonders nahen Position des Mondes auf seiner elliptischen Bahn um die Erde besteht an diesem Tag ein sehr großer Unterschied zwischen Ebbe und Flut. Die Franzosen nennen diese Konstellation, die es nur an wenigen Tagen im Jahr gibt, grande marée. Man kann nun zwei bis drei Meter tiefer auf dem Meeresboden spazieren als sonst bei einer durchschnittlichen Ebbe und kommt dabei bis an die Zone der großen unterseeischen Kelpwälder (Braualgen-Tange).

Wir gehen mit Gummistiefeln oder Wattschuhen vom Sandstrand in Richtung Meer und treffen schnell auf die ersten dichten Braunalgenfelder. Es sind zunächst vor allem Fucus-Arten, wie der Blasentang (Fucus vesiculosus) und der Sägetang (Fucus serratus), die in dieser oberen Zone leben. Doch schon bald mischen sich Grünalgen und schließlich Rotalgen darunter. Je weiter wir gehen, desto größer wird das Artenspektrum und desto bizarrer werden die Algen.

Die Grünalgen sind dünnhäutig oder bestehen aus feinen Fäden, die Rotalgen sind etwas robuster, aber meist nicht so ledrig zäh wie die Braunalgen. Vom Zuckertang (Saccharina latissima) und einem Palmentang (Laminaria spec.) finden wir mehr als 1,5m lange angespülte Stücke. Ihr Lebensraum liegt auch bei der niedrigsten Ebbe noch vollständig unter Wasser. Zu den Braunalgen zählen auch die gummiartigen, langverzweigten Dead Man‘s Fingers (Codium spec.) und der blasenartige Austerndieb (Colpomenia peregrina, nächstes Foto), der aus dem Pazifik eingewandert ist.

Auch der Japanische Beerentang (Sargassum muticum), von dem wir ein angespültes Exemplar finden, ist ein Neuankömmling. Er ist ursprünglich an der Küste Japans heimisch und gilt an den europäischen Küsten als invasiv. Er kann sich stark vermehren und andere Arten verdrängen.

Wir sehen aber nicht nur Algen. Neben festsitzenden Napfschnecken entdecken wir drei Exemplare der türkisgrünen Schlangenlocken-Seeanemone (Anemonia viridis, Foto oben) und eine Pferdeaktinie (Actinia equina), Einsiedlerkrebse, flache, krustenartige Schwämme, und zwischen den Felsen im flachen Wasser, versteckt unter den Algen, taucht plötzlich ein lachsroter etwa 20 cm langer Fisch auf. Er hat es nicht eilig, aber zum Fotografieren sind wir zu perplex. Das war wohl eine Seequappe (Ciliata mustela), wie die spätere Recherche ergibt. Wir sind jetzt bis zur Wasserlinie vorgewatet, es ist fast 14.00 Uhr, weiter wird der Meeresspiegel nicht mehr fallen. Die aus dem Wasser ragenden Felsen sind wie kleine Steingärten mit grünen, roten und braunen Algen dicht bewachsen. Es ist unglaublich schön, aber das Wasser wird bald wieder steigen, es ist Zeit umzukehren.

Amiens und Rückfahrt nach Mainz

Achter und neunter Tag der Reise. Samstagmorgen reisen wir bereits um 8 Uhr in Roscoff ab. Am Abend zuvor gab es erneut eine sehr hohe Flut und einen malerischen Sonnenuntergang über dem Meer. Hier würde man gerne noch ein paar Tage bleiben und den ausklingenden Sommer genießen. Aber die Rückfahrt ist weit, heute müssen knapp 600 km bis nach Amiens zurückgelegt werden. Und das ohne große Pausen, denn für 16.30 Uhr ist eine Stadt- und Kathedralenführung gebucht. Der Abend in Amiens bietet dann überraschend noch eine spektakuläre Lichtshow ("Chroma") auf der Westfassade der Kathedrale.

Am Morgen danach gibt es noch eine recht touristische Bootsfahrt durch die schwimmenden Gärten von Amiens und dann noch einmal etwa 570 km Busfahrt bis Mainz, wo wir am frühen Abend ankommen. Es wird ein paar Tage dauern, die vielen schönen Eindrücke dieser Reise zusammenzufassen und die unzähligen Fotos zu sortieren.

Text und Fotos: Dr. Ralf Omlor | 12. September 2023

 

REISELEITUNG
Dr. Ralf Omlor, Botanischer Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Odile Landragin (Übersetzungen und gärtnerische Aspekte)

VERANSTALTER
Freundeskreis des Botanischen Gartens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz e.V. in Zusammenarbeit mit Gruppenreisen in Frankreich – Wir sind Frankreich GmbH, Philippe Masson, Karlsruhe

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